Bill Kaulitz ist ein Grenzgänger. Der 21-Jährige ist Sänger, Model, Werbefigur und Synchronsprecher - und dabei, ein ernst zu nehmender Popkünstler zu werden – noch merkt das aber nicht jeder.
Sie haben ihn gesucht und doch nicht erkannt, als er vor ihnen steht. Im Jahr 2003 sucht SAT.1 einen Star und trifft auf Bill Kaulitz. „Star Search“ heißt die Castingshow. Der 13-jährige Bill, sein Zwillingsbruder Tom und zwei Freunde machen „nach eigenen Angaben Independent-Music“, erklärte Kai Pflaume damals, bevor er Bill auf die erste Fernsehbühne seines Lebens holte.
Atemlos singt der Pöks mit der Kleine-Vampir-Frisur und dem schwarzen Kajal um die Augen den Weather-Girls-Klassiker „It’s raining man“ und zappelt dazu wild mit den Armen. Hinterher muss er sich Belustigungen über sein extravagantes Outfit anhören. Er tut es höflich-charmant und wendet sich schließlich mit einem umwerfenden Lächeln der Jury zu.
Die Freunde, mit denen die Kaulitz-Brüder schon damals Musik gemacht haben, heißen Georg und Gustav. Heute kennen alle Mädchen in Deutschland, Spanien, Mexiko, Frankreich, Kanada, Israel und bald auch den USA die vier als Tokio Hotel. Trotzdem wird Bills Ausnahmetalent in gewisser Weise noch immer verkannt. Vielleicht gerade wegen all der Abertausenden kreischenden Mädchen.
Bill Kaulitz ist ein Grenzgänger. Er ist Sänger, Model, Werbefigur und Synchronsprecher. Mit ordentlich Schminke in seinem unfassbar hübschen Gesicht überwindet er die Grenze zwischen Mann und Frau, was reflexhaft auf das Gerücht hinausläuft, er sei homosexuell. Da kann er sich noch so oft dazu bekennen, nicht schwul zu sein. Die geschlechtliche Uneindeutigkeit gehört zu seinem Image – was umso mehr irritiert, als sein eineiiger Zwilling Tom als ganz normaler Junge daherkommt.
Bill Kaulitz aber erinnert an David Bowie, der in den frühen siebziger Jahre als Ziggy Stardust das Spiel mit Geschlechterrollen erst im Mainstream etabliert hat.
Nichts wird unter Kindern grausamer bestraft als Andersartigkeit. Bill ist das offenbar immer schon egal gewesen. Klar, die Schulzeit in dem 670-Einwohner-Kaff Loitsche bei Magdeburg hat er gehasst. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Wie reagieren Pubertierende wohl auf einen Typen mit schwarz-gefärbtem Haar, dessen Frisur so asymmetrisch ist wie der Schnitt seiner selbst geschneiderten Hose? Eine rhetorische Frage. Er macht trotzdem unbeirrt weiter sein Ding. Mit neun Jahren singen die Zwillinge auf Dorffesten, mit zwölf lernen sie in einem Magdeburger Klub Georg und Gustav kennen und gründen die Band Devilish (Teuflisch). Ein Jahr später, nach Bills Auftritt bei „Star Search“, fährt Musikproduzent Peter Hoffmann in eben diesen Klub, um sie sich anzuschauen.
„Im Kleinen passierte da genau das, was jetzt auf den großen Konzerten los ist“, erinnert er sich: „Vorne kreischende Mädchen, hinten pogende Jungs.“ Hoffmann holt sie in sein Studio ins niedersächsische Vögelsen in der Lüneburger Heide. Die Jungs bekommen Musik- und Gesangsunterricht. Aus Devilish wird Tokio Hotel. Sony BMG gibt ihnen einen Vertrag, kriegt aber ein halbes Jahr später kalte Füße. Der verantwortliche Manager feuert die Band. Sony BMG entgeht ein Millionengeschäft, der Manager verliert seinen Job. Stattdessen landet Universal, schärfster Konkurrent von Sony BMG, mit Tokio Hotel einen Hit nach dem anderen. Drei Alben haben sie bisher herausgebracht. Vor wenigen Tagen ist ein Best-of-Doppelalbum herausgekommen. Eine CD mit Liedern auf Deutsch, eine CD mit denselben auf Englisch.
Der große Irrtum, der sich im Kopf ahnungsloser Erwachsener festgesetzt hat, ist, Tokio Hotel sei eine durchgecastete Boygroup. Sie sind es nie gewesen. Gut, Bill und Tom wollten schon als Zweitklässler Rockstars werden. Aber das wollten die Rolling Stones auch lange, bevor sie es wurden. Der heute 21-jährige Tokio-Hotel-Frontmann ist alles andere als bloß der Kopf noch einer älter werdenden Teenagerband mit Popliedchen, die die Massen zum Kreischen bringt. Kaulitz ist einer dieser Menschen mit ganz besonderer Ausstrahlung: androgyn, dramatisch, glamourös. Seine Band wird immer weniger Nena und immer mehr Nirvana.
Gerade hat arte dabei geholfen, die Menschen ab 30, die keine Tochter zu Hause haben, die auf Tokio Hotel steht, auf den jungen Mann aufmerksam zu machen. Der Kultursender zeigte eine Folge seiner Reihe „Durch die Nacht mit ...“. Bill Kaulitz trifft darin auf Wolfgang Joop – und nicht nur der Modemacher ist seither hin und weg von Bill. Dabei hätte man es schon lange wissen können. Aber niemand, der nicht sowieso in einen der Kaulitz-Zwillinge oder in Georg oder Gustav verliebt ist, kommt auf die Idee, sich die Videos auf ihrer Internetseite anzusehen oder ein Tokio-Hotel-Konzert zu besuchen. Sonst hätten längst viel mehr Menschen gemerkt, dass die Mädchen, die Bill früher Diddl-Mäuse und heute BHs auf die Bühne schmeißen, einfach erkannt haben, wer da vor ihnen steht: ein außergewöhnlicher junger Mann, der das Zeug zum Weltstar hat.
Atemlos singt der Pöks mit der Kleine-Vampir-Frisur und dem schwarzen Kajal um die Augen den Weather-Girls-Klassiker „It’s raining man“ und zappelt dazu wild mit den Armen. Hinterher muss er sich Belustigungen über sein extravagantes Outfit anhören. Er tut es höflich-charmant und wendet sich schließlich mit einem umwerfenden Lächeln der Jury zu.
Hugo Egon Balder empfiehlt ihm, in Richtung Comedy zu gehen, weil seine Stimme so „witzig“ sei. Nur Jasmin Wagner vormals bekannt als Blümchen sieht sein Potenzial. „Herzlichen Glückwunsch zu diesem Auftritt“, sagt sie sichtlich begeistert: „Du ersparst einer Plattenfirma viel Arbeit.“ Imageberater, Stylingexperten – all das sei bei Bill nicht nötig. „Du bringst das alles schon mit.“ Sie schließt mit dem prophetischen Satz: „Und ich glaube, wenn du weitermachst, kann das nur nach oben gehen.“ Balder und die Mitjuroren entscheiden sich trotzdem für einen elfjährigen Rapper und gegen Bill.
Die Freunde, mit denen die Kaulitz-Brüder schon damals Musik gemacht haben, heißen Georg und Gustav. Heute kennen alle Mädchen in Deutschland, Spanien, Mexiko, Frankreich, Kanada, Israel und bald auch den USA die vier als Tokio Hotel. Trotzdem wird Bills Ausnahmetalent in gewisser Weise noch immer verkannt. Vielleicht gerade wegen all der Abertausenden kreischenden Mädchen.
Bill Kaulitz ist ein Grenzgänger. Er ist Sänger, Model, Werbefigur und Synchronsprecher. Mit ordentlich Schminke in seinem unfassbar hübschen Gesicht überwindet er die Grenze zwischen Mann und Frau, was reflexhaft auf das Gerücht hinausläuft, er sei homosexuell. Da kann er sich noch so oft dazu bekennen, nicht schwul zu sein. Die geschlechtliche Uneindeutigkeit gehört zu seinem Image – was umso mehr irritiert, als sein eineiiger Zwilling Tom als ganz normaler Junge daherkommt.
Bill Kaulitz aber erinnert an David Bowie, der in den frühen siebziger Jahre als Ziggy Stardust das Spiel mit Geschlechterrollen erst im Mainstream etabliert hat.
Nichts wird unter Kindern grausamer bestraft als Andersartigkeit. Bill ist das offenbar immer schon egal gewesen. Klar, die Schulzeit in dem 670-Einwohner-Kaff Loitsche bei Magdeburg hat er gehasst. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Wie reagieren Pubertierende wohl auf einen Typen mit schwarz-gefärbtem Haar, dessen Frisur so asymmetrisch ist wie der Schnitt seiner selbst geschneiderten Hose? Eine rhetorische Frage. Er macht trotzdem unbeirrt weiter sein Ding. Mit neun Jahren singen die Zwillinge auf Dorffesten, mit zwölf lernen sie in einem Magdeburger Klub Georg und Gustav kennen und gründen die Band Devilish (Teuflisch). Ein Jahr später, nach Bills Auftritt bei „Star Search“, fährt Musikproduzent Peter Hoffmann in eben diesen Klub, um sie sich anzuschauen.
„Im Kleinen passierte da genau das, was jetzt auf den großen Konzerten los ist“, erinnert er sich: „Vorne kreischende Mädchen, hinten pogende Jungs.“ Hoffmann holt sie in sein Studio ins niedersächsische Vögelsen in der Lüneburger Heide. Die Jungs bekommen Musik- und Gesangsunterricht. Aus Devilish wird Tokio Hotel. Sony BMG gibt ihnen einen Vertrag, kriegt aber ein halbes Jahr später kalte Füße. Der verantwortliche Manager feuert die Band. Sony BMG entgeht ein Millionengeschäft, der Manager verliert seinen Job. Stattdessen landet Universal, schärfster Konkurrent von Sony BMG, mit Tokio Hotel einen Hit nach dem anderen. Drei Alben haben sie bisher herausgebracht. Vor wenigen Tagen ist ein Best-of-Doppelalbum herausgekommen. Eine CD mit Liedern auf Deutsch, eine CD mit denselben auf Englisch.
Der große Irrtum, der sich im Kopf ahnungsloser Erwachsener festgesetzt hat, ist, Tokio Hotel sei eine durchgecastete Boygroup. Sie sind es nie gewesen. Gut, Bill und Tom wollten schon als Zweitklässler Rockstars werden. Aber das wollten die Rolling Stones auch lange, bevor sie es wurden. Der heute 21-jährige Tokio-Hotel-Frontmann ist alles andere als bloß der Kopf noch einer älter werdenden Teenagerband mit Popliedchen, die die Massen zum Kreischen bringt. Kaulitz ist einer dieser Menschen mit ganz besonderer Ausstrahlung: androgyn, dramatisch, glamourös. Seine Band wird immer weniger Nena und immer mehr Nirvana.
Gerade hat arte dabei geholfen, die Menschen ab 30, die keine Tochter zu Hause haben, die auf Tokio Hotel steht, auf den jungen Mann aufmerksam zu machen. Der Kultursender zeigte eine Folge seiner Reihe „Durch die Nacht mit ...“. Bill Kaulitz trifft darin auf Wolfgang Joop – und nicht nur der Modemacher ist seither hin und weg von Bill. Dabei hätte man es schon lange wissen können. Aber niemand, der nicht sowieso in einen der Kaulitz-Zwillinge oder in Georg oder Gustav verliebt ist, kommt auf die Idee, sich die Videos auf ihrer Internetseite anzusehen oder ein Tokio-Hotel-Konzert zu besuchen. Sonst hätten längst viel mehr Menschen gemerkt, dass die Mädchen, die Bill früher Diddl-Mäuse und heute BHs auf die Bühne schmeißen, einfach erkannt haben, wer da vor ihnen steht: ein außergewöhnlicher junger Mann, der das Zeug zum Weltstar hat.
Englisch
Bill Kaulitz on his way to become a serious pop artist
Bill Kaulitz is a border crosser. The 21-year-old is a singer, model, advertising character and voice actor – and on his way to become a serious pop artist – but not everyone has noticed it yet.
They searched but didn’t recognize him, as he stood in front of them. In the year 2003 Sat 1 [german TV channel] searched for a star, and met Bill Kaulitz. “Star Search” was the name of the Casting show. The 13-year-old Bill, his twin brother Tom and two friends “are making Independent-music according to their own statements”, Kai Pflaume [moderator] explained back then, before Bill had entered the first TV stage of his life.
Breathlessly, the little boy with the Little-Vampire-hairstyle and black eyeliner around his eyes, sang the Weather Girls song “It’s raining men” and was fidgeting frenziedly with his arms. Afterwards he had to listen to amusements about his flamboyant outfit. He was doing it politely and charming and turned towards the jury with a gorgeous smile.
Hugo Egon Balder [jury member] advised him to follow the comedy direction, because he said his voice is so “funny”. Only Jasmin Wagner [another jury member], formerly known as “Blümchen” [engl.: floret; her artist's name], saw his potential. “Congratulations to this performance”, she said obviously impressed: “You spare a record company a lot of work.” Image advisers, styling experts – with Bill there is no need for all that. “You already bring along all of these things.” She topped off with the sentence: “And I think if you continue, it can just go to the top.” Balder and the other jury members chose an 11-year-old rapper instead of Bill though.
The friends, with whom the Kaulitz-brothers had already made music back then, are called Georg and Gustav. Nowadays the band is known as Tokio Hotel among all girls in Germany, Spain, Mexico, France, Canada, Israel and soon also the USA. But Bill’s exceptional talent is still being unrecognized in a way. Maybe because of exactly those thousands and thousands of screaming girls.
Bill Kaulitz is a border crosser. He is a singer, model, advertising character and voice actor. With plenty of make up in his inconceivably pretty face, he overcomes the border between man and woman, which has an reflexive effect on the rumor that he’s homosexual. May he confess not being gay as often as he wants. The sexual ambiguity simply belongs to his image – what confuses much more is, that his identical twin Tom goes around dressed up as normal boy. But Bill Kaulitz reminds of David Bowie, who had established the game with the gender roles as Ziggy Stardust only in the early 70’s in the mainstream.
Nothing gets more punished among children than otherness. Obviously Bill has not cared about that all the while. Of course, he hated the school days in the 670-inhabitant-hicksville Loitsche. The reasons are obvious. How are pubescent most likely to react when seeing a guy with black dyed hair, whose hairstyle is as asymmetric as the style of his self-tailored pants? A rhetorical question. He’s still doing his own thing unwaveringly. At the age of 9, the twins sing at village fairs, at the age of 12 they get to know Georg and Gustav in a club in Magdeburg and found the band Devilish. One year later, after Bill’s performance at “Star Search”, the music producer Peter Hoffmann went to exactly this club to see the band perform.
“In microcosm there just happened exactly that thing, which is going on at today’s big concerts.”, he remembers: “Screaming girls in the front row, mashing boys behind.” Hoffmann invites them to his studio in Vögelsen in Lower Saxony, in the Lüneburg Heath. The boys get music- and singing lessons. Devilish becomes Tokio Hotel. They signed a contract with Sony BMG, but after half a year the record company got cold feet. The responsible manager dismisses the band. Sony BMG let slip a multi-million dollar business, the manager lost his job. Instead of them, Universal, Sony BMG’s strongest competitor, has one hit after another with the band. Three albums have been released so far. A few days ago, a Best-Of-double-album was released. A CD with the songs in german, a CD with the same songs in English. The big mistake that has settled in the heads of clueless adults is, that Tokio Hotel is a casted boygroup. They have never been. Well, Bill and Tom already wanted to become rockstars when they were in second grade. But so the Rolling Stones had wanted, long before they actually became [rockstars]. The today 21-year-old Tokio-Hotel-frontman is more than just the head of an ageing teenager band with some pop ditties, that makes the masses scream. Kaulitz is one of those humans with unique charisma: androgynous, dramatic, glamorous. His band is getting less and less Nena, but more and more Nirvana.
A few weeks ago, arte [german TV channel] helped to make people as from 30, that have no daughter who’s into Tokio Hotel, call attention to this young man. The culture channel showed an episode of its series “Durch die Nacht mit…” [Through the night with…]. In this episode Bill Kaulitz met Wolfgang Joop – and not only the fashion designer has been over the moon with Bill since then. But one could have already known this a long time before. But nobody, who’s not in love with one of the Kaulitz-twins or Georg or Gustav, comes up with the idea to watch videos on their homepage or to attend a Tokio Hotel concert. Otherwise much more people would have already noticed that the girls, who had thrown “Diddle”-mice or bras on stage in the past, simply recognized who stands in front of them: an extraordinary young man, who has got what it takes to become a world star.
Translation by TokioHotel-Info
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